Heimat, deine Aktien …

Als Horst Seehofer für sein Innenministerium eine Abteilung „Heimat“ erfand (übrigens weiß bis heute niemand so recht, was die Beamten dort eigentlich tun), da dachte er mit Sicherheit nicht an Aktien. Dabei fühlen sich viele Anleger Aktien aus der Heimat eng verbunden und verzeihen den regionalen Unternehmen viel.
Man kennt eben die Produzenten, weiß, was man kauft. Was quasi in der Nachbarschaft produziert wird, muss irgendwie ja eine bessere Qualität haben und natürlich auch nachhaltig sein, um auch noch auf die aktuelle Klimaschutzdebatte aufzuspringen. Das ist per se erst einmal nicht schlecht und stützt die Binnennachfrage, hält aber schon bei vielen Waren einer genaueren Überprüfung nicht stand.
Bei Aktien könnte eine solche Heimatverbundenheit sogar riskant sein und gravierende Folgen für das Depot haben.

Home-Bias

Für die Heimatmarktverbundenheit gibt es einen Fachbegriff: Home Bias oder Equity Home Bias Puzzle.
Dies bezeichnet die Tendenz von Investoren, Geldanlagen auf dem Heimatmarkt überproportional zu gewichten.
Die Basis für die Gewichtung der Geldanlagen bildet die Portfolio-Theorie des amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträgers Harry Markowitz aus dem Jahr 1952. Sie besagt, dass die Anlageallokation, also die Verteilung der Geldanlage auf verschiedene (voneinander statistisch unabhängige) Anlageklassen, zu einer Erhöhung der Rendite bei gleichem Risiko führt. Demzufolge ist theoretisch eine Verteilung der Anlagesumme im Portfolio auf eine Vielzahl von nationalen Märkten sinnvoll.

In der Praxis beobachten wir jedoch, dass unsere Aktionäre ihre Anlagen weitaus häufiger auf dem jeweiligen Heimatmarkt positionieren, also den Home-Bias-Effekt.

Gründe für den Home-Bias-Effekt

Im Wesentlichen haben sich für die Heimatverbundenheit von Aktionären vier Gründe herauskristallisiert, die durchaus auch nachvollziehbar sind.

Zum einen sind es die Informationsdefizite. So ist der Investor über die Unternehmen am Heimatmarkt relativ gut informiert, oder besser gesagt, er glaubt, besser informiert zu sein. Beim Geld anlegen gehen Anleger daher davon aus, die Chancen und Risiken hierzulande gut einschätzen zu können, wohingegen ihnen diese Informationen bei Anlagen auf ausländischen Märkten fehlen.

Die meisten Informationen über die ins Auge gefassten Unternehmen bezieht der Anleger dabei aus dem Internet. Über ausländische Gesellschaften wird aber meistens in Englisch publiziert. Und wir wissen ja, die Deutschen sind ein wenig sprachfaul.

Ein zweiter Grund liegt in den höheren Transaktionskosten, die mit dem Erwerb von Auslandsaktien verbunden sind. Fakt ist nämlich, dass die Bank ihre fremden Spesen, die sie mit dem Erwerb von Wertpapieren hat, voll an den Kunden weiterleitet.

Der dritte Grund ist der Wechselkurs bzw. das Wechselkursrisiko. Da die Rendite auch durch die Änderung des Wechselkurses bestimmt wird, erscheint eine Anlage im gleichen Währungsraum folglich risikoärmer. Allerdings können die Wechselkurse sich auf der anderen Seite auch günstig auf die Anlage auswirken.

Und schließlich spielt viertens ja auch noch das Finanzamt eine Rolle, und zwar auf beiden Seiten der Grenze. Denn zum einen zieht das Finanzamt im Ausland die Quellensteuer ab, und zum anderen will natürlich auch das deutsche Finanzamt noch seinen Obolus am Ertrag erhalten. Zwar hat Deutschland mit den meisten Ländern Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, aber es ist doch zum Teil ein erheblicher Aufwand, sich die zu viel bezahlten Steuern erstatten zu lassen, speziell wenn es nicht zum Dienstleistungsangebot der Depotbank gehört.
Übrigens ist es auch im Euroraum mitunter etwas kompliziert mit der Erstattung der Quellensteuer.

Ist es ein hohes Risiko, nur auf deutsche Aktien zu setzen?

Sagen wir mal so: Eine leichte Übergewichtung deutscher Aktien ist für gut informierte und bewusst handelnde Investoren durchaus vertretbar; der Home-Bias-Effekt kann dann auch vernachlässigt werden.
Die Realität jedoch sieht leider anders aus. So finden wir in deutschen Depots mehr als 50 Prozent deutsche Aktien vor.
Deutsche Unternehmen tragen aber nur rund 3 Prozent zur weltweiten Marktkapitalisierung bei. Auch in den US-amerikanischen Depots besteht mit 50 Prozent Marktkapitalisierung gegenüber 70 Prozent einheimischer Aktien ein extremes Missverhältnis.

Der DAX gehört zu den zyklischsten Indizes weltweit. Läuft es mit der Weltwirtschaft gut, dann haben wir auch mit unserem nur 30 Werte umfassenden DAX eine relativ gute Performance zu erwarten. Aber derzeit läuft es nicht mehr rund; der DAX wird also auf die Abkühlung reagieren und die Depots mit gen Süden reißen.
Die globale Wirkung des DAX wird regelmäßig überschätzt. So wird unter deutschen Anlegern der Index stets als stellvertretend für das weltweite Marktgeschehen wahrgenommen. Das ist leider aber nicht der Fall.

Der amerikanische Leitindex S&P 500 zum Beispiel ist mit 500 Titeln weitaus breiter aufgestellt, gilt als weniger zyklisch und ist damit auch weniger krisenanfällig.

Fazit

Es ist immer gut, weit über den regionalen Tellerrand zu schauen. Selbst ein Depot aus nur deutschen und amerikanischen Aktien ist risikoreich, weil der deutsche Index dem amerikanischen stets folgt. Anleger sollten daher immer auf eine breite Diversifikation ihres Aktiendepots oder auf das Management eines international breit streuenden Fonds setzen.

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