Wer h?tte das gedacht: Ein Virus stellt die Arbeitswelt in wenigen Monaten auf den Kopf. Das Homeoffice wird im Zuge der Pandemie bei vielen deutschen Unternehmen zum Alltag. Rund zwei Drittel der Arbeitnehmer wollen auch nach Corona ihren Arbeitsplatz ins traute Heim verlagern. Zu diesem Ergebnis kommen voneinander unabh?ngige Studien des Bundesarbeitsministeriums und der Krankenkasse DAK.
Homeoffice – Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren
Das Arbeiten in der heimischen Umgebung wird laut einer repr?sentativen Umfrage des Bayerischen Forschungsinstituts f?r Digitale Transformation (bidt) deutlich mehr genutzt als fr?her. „Viele Jobs k?nnen dank digitaler Technologien zu jeder Zeit und von jedem Ort aus erledigt werden“, sagt Bitkom-Hauptgesch?ftsf?hrer Dr. Bernhard Rohleder.
Als gro?en Vorteil der Heimarbeit nennen Arbeitnehmer haupts?chlich die Zeitersparnis – schlie?lich entfalle die Pendelei zum Arbeitsplatz – sowie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jeder zweite Befragte in der oben genannten DAK-Studie gab zudem an, im Homeoffice zufriedener und damit produktiver zu sein. Diverse Studien wie z.B. der Stanford University untermauern dies.
Remote-Management will gelernt sein
Gleichzeitig beklagt laut DAK jeder zweite Homeoffice-Besch?ftigte die fehlende klare Trennung zwischen Job und Privatleben. Ebenso bem?ngelt wird, dass es weder regul?re Arbeitszeiten noch einen Direktkontakt zu Kollegen gibt. Hier ist das Management gefragt. Es muss in der Lage sein, Mitarbeiter, die alleine in ihrer Wohnung der Arbeit nachgehen, aus der Ferne so zu motivieren, damit der gewohnte Qualit?tsanspruch gewahrt bleibt und die Gesch?ftsprozesse nicht darunter leiden.
„Gerade in der Pandemie ist es wichtig, dass F?hrungskr?fte ihrer Managementaufgabe gerecht werden und sich um die Mitarbeiter im Homeoffice k?mmern“, sagt die Organisationsforscherin Sophia Zimmermann von der Uni Konstanz. Denn je klarer die Zielvorgaben seien und je mehr Einzelgespr?che gef?hrt w?rden, desto h?her sei das Engagement der von zuhause aus arbeitenden Mitarbeiter. Hierf?r sei es nat?rlich erforderlich, dass die F?hrungskraft, da der direkte Austausch fehlt, pers?nlich ansprechbar sei – am besten per Videochat. Dies motiviert nicht nur, sondern schafft auch Vertrauen.
Die Realit?t ist leider ern?chternd. Laut einer repr?sentativen Umfrage der Uni Konstanz erwarten zwar drei Viertel der Besch?ftigten, dass die F?hrungskraft nicht nur Struktur und Ziel vorgibt, sondern auch F?rsorge erkennen l?sst – allerdings best?tigt nur jeder Zweite, dass all dies auch geschieht. Untermauert wird dieses Ergebnis durch eine Studie der Universit?t K?ln, derzufolge 60 Prozent der Befragten sich von ihren Vorgesetzten alleingelassen f?hlen. „Viele Chefs haben das Homeoffice als Arbeitsm?glichkeit nicht vorgelebt, oder sind selbst mit den Arbeitsabl?ufen nicht vertraut“, sagt Laura Seinsche von der Uni K?ln.
Ver?nderte Arbeitswelt erfordert radikales Umdenken
F?hrungskr?fte selbst scheinen hingegen mit gro?er Mehrheit keinen Mangel bzgl. des Managements von Remote-Arbeit zu erkennen. In einer Studie der USU Software AG wurden 120 F?hrungskr?fte in der DACH-Region befragt. Demnach glaubt lediglich jeder f?nfte Studienteilnehmer, dass ein Umdenken in den K?pfen der F?hrungsriege erfolgen muss. F?r rund jeden zweiten Manager besteht die gr??te Herausforderung alleine im Austausch und in der Abstimmung zwischen den Mitarbeitern.
Ob dies freilich gelingt, h?ngt nach ?berzeugung von Nils Backhaus vor allem vom Vorgesetzten ab. Denn der, so der Arbeitspsychologe, sei f?r klare Absprachen verantwortlich. Allerdings: „Viele F?hrungskr?fte haben einfach nicht gelernt, aus der Distanz zu f?hren“, sagt der Experte, der f?r die Bundesanstalt f?r Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Thema Arbeit im Wandel forscht.
7 Tipps, die Managern dabei helfen, Mitarbeiter und Teams remote erfolgreich zu f?hren:
– Homeoffice-Kultur braucht klare Regeln. Gemeinsam mit dem Team sind grunds?tzliche Leitlinien f?r das Arbeiten von zuhause aus festzulegen. Verl?ssliche Absprachen und eindeutige Zust?ndigkeiten sind unerl?sslich. Dazu z?hlt u.a. die Regelung der Erreichbarkeit, Antwortzeiten auf Mails, Terminsetzung oder die Festlegung von Meeting-Routinen.
– Vertrauen ist das A und O. Ein Trugschluss w?re es zu glauben, dass der Mitarbeiter weniger leistet, nur weil man ihm nicht ?ber die Schulter schauen kann. „Vertrauen wird bei uns gro? geschrieben“, sagt Michael Otto, Senior Software Development Architect bei SNcom. Mit Unterst?tzung von Microsoft Teams tauscht er sich mit seinen Kollegen in Videochats aus, wo Dokumente gemeinsam erarbeitet und Informationen ausgetauscht werden. Jeder sieht jeden und jeder wei?, was der andere macht. Ein misstrauischer Chef w?re hier komplett kontraproduktiv.
– Keine Angst vor Kontrollverlust. Im Homeoffice z?hlen Ergebnisse, nicht geleistete Arbeitsstunden! Daher Wochen- und Monatsziele setzen und gemeinsam die optimale Auslastung finden. Reine Anwesenheit ist kein gutes Messinstrument f?r gute Leistungen. Ganz schlecht: Der Einsatz von Monitoring-Software. Misstrauen und digitale ?berwachung in Form von Kontroll-Apps f?hren unweigerlich zu sinkender Motivation. „Die Vorteile des Homeoffice lassen sich ausschlie?lich durch Vertrauen realisieren“, sagt der Wirtschaftsinformatiker Ulrich Remus von der Universit?t Innsbruck. Mithilfe der Aktivit?ts-Funktion bekommt jeder SNcom-Mitarbeiter eine ?bersicht, mit welcher Kommunikations- oder Kollaborationsanwendung der Austausch erfolgt ist und dar?ber, welche Teammitglieder wie reagiert haben. So wird u.a. vermieden, dass zwei an derselben Aufgabe arbeiten – ohne es zu merken. Das Erfolgsrezept: Einerseits Teamarbeit, andererseits Organisation der Arbeitsabl?ufe in Eigenregie.
– Die F?rsorgepflicht nicht vergessen. Unterst?tzung seitens der F?hrungskraft ist u.a. dann gefragt, wenn es um die Organisation von Heimarbeit geht. Nicht nur in technischer Hinsicht. Das famili?re Umfeld der Besch?ftigten zu kennen, kann der Mitarbeitermotivation sehr zutr?glich sein. Beispielsweise, wenn es um die Flexibilit?t bei der Zuteilung und Priorisierung bestimmter Aufgaben geht. Dies steigert die Leistungsbereitschaft , f?rdert innovatives Denken und wirkt Stress entgegen.
– Von Mitarbeiterentlastung profitieren. Kluge Manager pr?fen genau, an welchen Stellen zeitunabh?ngiges Arbeiten m?glich ist und Sinn macht. Meist ist es nicht notwendig, dass alle Mitarbeiter zur selben Zeit erreichbar sind. F?r Eltern ist es vorteilhaft, bestimmte Arbeiten abends erledigen zu k?nnen. Unternehmensziele sollten von der Arbeitszeit komplett entkoppelt werden. Das hei?t aber nicht, dass F?hrungskr?fte E-Mails nach Feierabend verschicken sollten und somit unn?tig Druck erzeugen.
– Digitale Kommunikation f?rdern. Experten raten davon ab, die interne Kommunikation im Homeoffice nur noch per E-Mail zu f?hren. Schnell verliert man in dieser unweigerlich vorherrschenden Flut den ?berblick. Auch hier ist es oberste Managementaufgabe zu eruieren, welche Tools sich am besten f?r die Mitarbeiter eignen, um die Unternehmensziele m?glichst effizient zu erreichen. „Wir bevorzugen den Chat“, sagt Michael Otto, „weil das einfach schneller geht.“ Au?erdem k?nne man beim Chatten sofort in eine Kommunikation via Video wechseln, wenn z.B. Dokumente besprochen oder bearbeitet werden sollen.
– Digitale Meetings regelm??ig einsetzen. Videokommunikation ist unverzichtbar f?r die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Vorgesetzten und Team. Wer Gestik und Mimik sieht, kann Missverst?ndnisse vermeiden und die Produktivit?t aufrecht erhalten. Ein Videochat ist zwar kein vollst?ndiger Ersatz f?r ein Pr?senztreffen, kann aber durchaus das Wir-Gef?hl st?rken.
Nach Meinung von Experten wird die komplett freie Wahl des Arbeitsplatze immer wichtiger werden. „Unternehmen, die sich gegen Homeoffice str?uben, werden in f?nf Jahren keine Bewerber mehr haben“, prognostiziert die Unternehmensberaterin Teresa Bauer. Unternehmen, deren Mitarbeiter Corona-bedingt im trauten Heim arbeiten und diese Kultur der Zusammenarbeit neu leben, k?nnten als Gewinner aus der Pandemie gehen und zudem f?r den Arbeitsmarkt bestens ger?stet sein.
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