Bildung – ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Veränderungen

Lebenslanges Lernen: Bildung historisch betrachtet, heute als Karriere f?r die Entwicklung der Gesellschaft – Verbesserung von Wissen, Kompetenzen und Qualifikationen – Dr. Rainer Schreiber, Dozent Erwachsenenbildung im Gespr?ch mit Dr. Schr?ck.

Die Europ?ische Union rief 1996 das „Jahr des lebensbegleitenden Lernens“ als neue Stimme der Bildungspolitik in Europa aus. „Mich interessiert Lernen und das Erlangen von Wissen allgemein. Faszinierend finde ich Menschen aus der Renaissance, die umfassend und nicht nur in einem Bereich gebildet waren“, erkl?rt Dr. Thomas Schr?ck und erz?hlt, dass er immer studieren wollte, dies aber rasch gehen durfte, weil er schon daneben Unternehmer war. Nach insgesamt sechseinhalb Jahren Diplomstudium Betriebswirtschaftslehre und Doktorat, begann er die ersten Lehrauftr?ge an Universit?ten im Bereich Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik. „Aus meiner T?tigkeit f?r das Industriewissenschaftliche Institut in Wien und dann f?r die Julius Raab Stiftung entwickelten sich rund 30 Publikationen und Projekte. Auf der einen Seite die T?tigkeit in der Privatwirtschaft, als Edelsteinh?ndler, auf der anderen Seite die T?tigkeit als Berater, Forscher und Lehrer im politiknahen Bereich lie? das Interesse steigen, warum Menschen agieren wie sie es tun“, so Dr. Thomas Schr?ck, ausgebildet als Lebens-, Sozial- und psychologischer Berater, zudem gesch?ftsf?hrender Gesellschafter The Natural Gem GmbH und Autor.

Bildungsentwicklung: historisch – unabh?ngig – formbar

Der Terminus Bildung wurde erstmals im Mittelalter von einem Dominikaner, Theologen und Philosophen namens Meister Eckhart (um 1260) in der deutschen Sprache verbreitet.

Die Bedeutung hat sich ?ber die Jahrhunderte hinweg ver?ndert. Urs?chlich bedeutete diese Aussage f?r den damaligen Gelehrten das „Erlernen von Gelassenheit“ und wurde als „Gottes Sache“ angesehen. Der Mensch an sich soll Gott mittels der Bildung ?hnlich werden. In diesem Sinne hatte der Begriff Bildung eine rein religi?se Ausrichtung. Infolgedessen war der Bildungsbegriff zu dieser Zeit eine biblische Interpretation und war an das christliche Menschenbild des Mittelalters gebunden.

Dr. Thomas Schr?ck hierzu: „Der gro?e Forscher Wilhelm von Humboldt, der im neunzehnten Jahrhundert ma?geblichen Einfluss hatte, sah Selbstbestimmung des Menschen als einen wesentlichen Bestandteil der Bildung. Sein Ziel war es, den kritischen und selbstst?ndigen Menschen mittels Bildung zu formen, der sich frei und unabh?ngig vom Willen der M?chtigen entfalten konnte.“

Wechselbeziehung: Bildung und Ausbildung

Der Schweizer P?dagoge Pestalozzi vertritt die gleiche Auffassung wie Humboldt. N?mlich, dass „nicht die ideelle Bildung“, sondern die materielle beziehungsweise faktische Ausbildung und Entwicklung der Grundkr?fte (Fachkr?fte) wichtig sind. Da nur die ideelle Bildung, wie er formuliert, f?r Kopf, Herz und Hand also Wissen, Wollen und K?nnen also der intellektuellen, sittlichen und k?rperlichen Erziehung Rechnung tr?gt. „Alles, was beruflich gemacht wird, als Berufung anzusehen, das ist meine Philosophie gepaart mit dem sch?nen Satz: Jenes Element in einem System mit der gr??ten Anzahl von Verhaltensm?glichkeiten kontrolliert das System. Dieser Satz ist zu meinem Leitsatz geworden, f?r dauerndes, weiter gehendes Lernen. Die Begegnung auf Augenh?he m?glich voneinander menschlich, sozial und gesch?ftlich zu profitieren, dann gelingen menschliche Verbindungen und gesch?ftliche Beziehung“, f?gt Dr. Thomas Schr?ck hinzu. Die Termini Bildung und Ausbildung sind in einer Wechselbeziehung zu sehen.

Heute hat der Bildungsbegriff seinen einstigen, religi?sen Charakter verloren. Er wird nun h?ufig synonym mit den Begriffen Erziehung, Lernen oder Sozialisation verwendet. Infolgedessen ist Bildung ein sprachlich, kulturell und historisch bedingter Begriff mit einer sehr komplexen Bedeutung geworden. Dr. Thomas Schr?ck hierzu: „Eine pr?zise, oder besser noch einheitliche Definition des Bildungsbegriffs zu finden, erweist sich daher als ?u?erst schwierig. Je nach Ausrichtung und Interessenlage variieren die Ansichten dar?ber, was unter „Bildung“ verstanden werden sollte, erheblich.“

Bildung: Entfaltung geistig und seelisch – Formung und Erziehung

Nach der Philosophie von Bernward Hoffmann wird Bildung als die Entfaltung und Entwicklung der geistig-seelischen Werte und Anlagen eines Menschen durch Formung und Erziehung verstanden, wobei Daniel Goeudevert, ein anderer Gelehrter dieser Zunft, Bildung als einen aktiven, komplexen und nie abgeschlossenen Prozess, in dessen gl?cklichem Verlauf eine selbstst?ndige und selbstt?tige, probleml?sungsf?hige und lebenst?chtige Pers?nlichkeit entstehen kann. Bildung kann daher nicht nur auf Wissen reduziert werden. Wissen sei indes nicht das Ziel der Bildung, aber sehr wohl ein Hilfsmittel. Dar?ber hinaus setze Bildung Urteilsverm?gen, Reflexion und kritische Distanz gegen?ber dem Informationsangebot voraus. Dem gegen?ber stehe die Halbbildung (Ausbildung) oder, wenn es um Anpassung im Gegensatz zur reflexiven Distanz gehe, auch die Assimilation.

„Diese unterschiedlichen Orientierungen offenbaren die vielen Denkans?tze, und Bildung kann als ein „bewusstes, aktives, reflexives und handlungsbezogener Prozess der Besch?ftigung des Individuums mit sich selbst sein, wie auch mit seiner materiellen, sozialen und kulturellen Umwelt, in dem sich das Selbstverst?ndnis des Individuums und dessen Rolle auf dieser Welt ebenso herausbilden kann, wie seine Sozial- und Handlungskompetenz. Bildung ist f?r sie ferner „ein absichtsvoller, handlungsbezogener Erwerb von Wissen und F?higkeiten“, gibt Dr. Thomas Schr?ck zu bedenken.

Frieden – Freiheit – Selbstbestimmung

Bildung zielt auf ein Zusammenleben der Menschen in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung – ohne ?u?ere Zw?nge. Bildung f?hrt zur ?berwindung von Fremdbestimmung und Unfreiheit. „Bildung, so hei?t es im Vorwort eines Berichtes des Bundesministeriums f?r Bildung und Forschung in Berlin, „gibt den Menschen die Instrumente in die Hand, mit denen sie die Chancen und Herausforderungen der Globalisierung f?r sich nutzen und bew?ltigen k?nnen.

H?here Bildung ist, nach den Untersuchungsergebnissen zur Anpassung an den Ruhestand eine wesentliche Hilfe, da die h?her gebildeten Menschen aufgrund ihrer qualifizierten Schul- und Berufsausbildung bef?higter sind, sich auf neue Lebenssituationen einzustellen aber auch das Ahnenerbe zu sichern. Die bisherigen internationalen Untersuchungen best?tigen diese Thesis. Bildung spiegelt sich im strikten Sinne in der Frucht des gebildeten Individuums wider.

„Lernen ist die Grundlage daf?r, von und ?ber Bildung zu sprechen. Erst durch die reflexiven und handlungsbezogenen Bildungsprozesse organisiert das Individuum seine Lernprozesse auf seine Bed?rfnisse, Ziele und Werte hin, und zwar im Hinblick auf sich selbst, seine sozialen Beziehungen und die Gesellschaft in der Gesamtheit“, gibt Dr. Thomas Schr?ck zu bedenken.

Allen Bildungsdefinitionen gemein ist, dass sie Bildung ?ber Kompetenzen, Kommunikation und Wissen, nicht zielgruppenspezifisch, definiert, woraus man schlie?en kann, dass Bildung f?r alle Zielgruppen gleich gilt. „Allerdings sind die einzelnen Elemente bei den verschiedenen Zielgruppen unterschiedlich ausgepr?gt. W?hrend Jugendliche ihre Kernkompetenzen noch erlernen m?ssen, sind diese bei ?lteren Menschen schon gut ausgepr?gt. Kommunikation hingegen ist bei Jugendlichen in der Regel bisher trotz der Digitalisierung noch besonders stark ausgepr?gt, w?hrend diese Kompetenz im Alter oft bei introvertierten Menschen abnimmt“, erkl?rt der ausgebildete Kommunikationsexperte und Unternehmer Dr. Thomas Schr?ck.

Das Fazit des Gespr?chs lautet: „Entscheidend ist, die Kompetenzen der Menschen zu erkennen, zu f?rdern und auch im Reifeprozess des Lebens zu erhalten. Das ist im Sinne des Lebenslangen Lernens, der Rekrutierung und einer individuellen F?rderung und Beg?nstigung geeigneter Menschen f?r die Aufrechthaltung der Wertsch?pfungsketten“, so die Experten f?r Kommunikation und Erwachsenenbildung.

Fast vergessen ist, dass der Begriff „Beruf“ eng an Berufung gelehnt ist und eine ?ber die Jahrhunderte entwickelte Begriffsbestimmung der Bildung das wirtschaftliche Leben sowie Ausbildung und die Personalentwicklung der heutigen Zeit beeinflusst. Das nennt sich stofflose Evolution.

V.i.S.d.P

Dr. Rainer Schreiber
Dozent Erwachsenenbildung & Personalberater

?ber den Autor:

Personalberater und Honorardozent Dr. Rainer Schreiber mit Studium der Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Finanzierung, Controlling, Personal- und Ausbildungswesen. Er arbeitet in der beruflichen Erwachsenenbildung und publiziert zum Thema Personalberatung, demographischer Wandel und Wirtschaftspolitik.

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