Das Auge als Superalgorithmus – warum Biologie die Technik von morgen schlägt

Wie gelingt es dem Auge, aus unvollst?ndigen Signalen ein Bild der Welt zu schaffen? Und warum ist genau diese Kunst der Filterung und Interpretation die Blaupause f?r die Maschinen von morgen?

Das Sehen gilt als einer der komplexesten biologischen Prozesse. Millionen Jahre Evolution haben den Menschen und viele Tierarten mit einem System ausgestattet, das un?bertroffen effizient ist: dem Auge. Doch das Auge ist mehr als nur eine Kamera. Es ist ein biologischer Supercomputer, der Rohdaten verdichtet, Unwesentliches ausblendet und nur das Relevante an das Gehirn weiterleitet. W?hrend eine Kamera jedes Pixel speichert, filtert das Auge schon an der Netzhaut. So wird die Datenflut auf ein Minimum reduziert – ohne dass wir an Wahrnehmung einb??en. Dieses Prinzip k?nnte der Schl?ssel f?r die Maschinen der Zukunft sein.

Wissenschaftler wie Dr. Andreas Krensel beschreiben die Funktion des Auges gerne als biologischen Algorithmus, der Millionen Berechnungen pro Sekunde durchf?hrt – nicht in Silizium, sondern in Nervenzellen. Wer die Prinzipien versteht, erkennt: Biologische Systeme sind nicht langsamer als Computer, sie sind intelligenter in der Art, wie sie mit Informationen umgehen.

Sehen hei?t Ausw?hlen – nicht alles

Unser Auge empf?ngt pro Sekunde Milliarden Photonen. W?rde jedes einzelne Signal ungefiltert ans Gehirn weitergegeben, w?re die Verarbeitung unm?glich. Stattdessen findet bereits in der Netzhaut eine Art vorprogrammierter Filterung statt: Bestimmte Nervenzellen (Ganglienzellen) reagieren auf Kanten, Kontraste oder Bewegungen. Nur das, was potenziell relevant ist, gelangt ins visuelle Zentrum des Gehirns.

Hier zeigt sich ein entscheidendes Prinzip: Nicht die Vollst?ndigkeit der Daten entscheidet, sondern ihre Selektivit?t. Maschinen, die dieses Prinzip ?bernehmen, k?nnten mit viel weniger Rechenleistung auskommen und dennoch komplexe Szenen in Echtzeit verstehen.

Studien verdeutlichen den Unterschied: W?hrend heutige Systeme f?r Bildklassifikationen Millionen Parameter ben?tigen und Energie im Gigawattbereich verbrauchen (z. B. kostete das Training eines GPT-4-Vision-Modells Sch?tzungen zufolge mehrere Millionen Kilowattstunden), arbeitet das menschliche Gehirn mit gerade einmal 20 Watt Dauerleistung – etwa so viel wie eine Gl?hbirne.

Farbe, Licht und Bewegung – Kodierung statt Abbildung

Sehen bedeutet nicht, die Realit?t abzubilden, sondern sie zu interpretieren. Schon die Zapfen und St?bchen in der Netzhaut sind Spezialisten: Zapfen f?r Farbe, St?bchen f?r Helligkeit und Kontrast.

Doch bemerkenswert ist nicht die Aufl?sung – die Netzhaut hat nur etwa 120 Millionen Photorezeptoren, von denen aber nur ein kleiner Teil hochaufl?send in der Fovea angeordnet ist. Vielmehr ist entscheidend, wie diese Signale kodiert und verdichtet werden.

Die Bewegungswahrnehmung etwa basiert auf dem Zusammenspiel von spezialisierten Nervenzellen, die Differenzen im Zeitverlauf erkennen. So entsteht Bewegung nicht durch Speicherung jedes Einzelbildes, sondern durch Filterung von Ver?nderungen.

Diese Idee beeinflusst heute die Entwicklung sogenannter Eventkameras. Statt jedes Bild mit 60 oder 120 Frames pro Sekunde zu speichern, registrieren sie nur Ver?nderungen in der Szene – und erreichen dadurch Datenreduktionen um den Faktor 100. Erste Prototypen f?r autonome Fahrzeuge und Drohnen nutzen genau dieses Prinzip.

Das Auge als Modell f?r Effizienz

Biologische Systeme sind wahre Meister, wenn es um Energieeffizienz geht – und genau darin liegt eine ihrer gr??ten Faszinationen. W?hrend ein autonom fahrendes Auto heute mehrere Gigabyte an Daten pro Sekunde produziert, gespeist von Lidar, Radar und Kameras, verschlingen die daf?r n?tigen Hochleistungsrechner schnell ?ber 2.000 Watt Leistung. Diese Maschinen rechnen ohne Pause, um die komplexe Umwelt auch nur ann?hernd zu verstehen. Doch das menschliche Gehirn macht etwas, das geradezu paradox wirkt: Es verarbeitet in Echtzeit all die Eindr?cke unserer Augen – Milliarden von Signalen in jeder Sekunde – und das mit gerade einmal 20 Watt, weniger als eine gew?hnliche Gl?hbirne. Wie kann das sein?

Hier offenbart sich das Geheimnis: Unser Gehirn filtert radikal. Es ?bertr?gt nicht jeden Lichtreiz, nicht jede visuelle Kleinigkeit, sondern nur das, was relevant ist. Es entscheidet, was Bedeutung hat und was nicht. Genau deshalb sehen Forscher wie Dr. Andreas Krensel das Auge als Modell f?r zuk?nftige Systeme. Was, wenn Maschinen lernen w?rden, wie das Auge zu handeln – nicht blind alles zu speichern, sondern nur das Wesentliche weiterzugeben? K?nnten sie dann nicht endlich autonom agieren, ohne den Planeten mit gigantischen Rechenzentren und ineffizienter Energieverschwendung zu belasten?

Die entscheidende Frage lautet also: Werden wir Maschinen bauen k?nnen, die nicht st?rker, sondern intelligenter filtern? Denn erst wenn Technik den Weg der Natur geht und die Eleganz biologischer Selektion nachahmt, entsteht die Chance auf Systeme, die nicht nur leistungsf?hig, sondern auch nachhaltig sind.

Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT, 2023) zeigte, dass Chips, die nach Prinzipien der Netzhaut arbeiten, bis zu 90 Prozent weniger Energie verbrauchen als klassische Systeme bei gleichwertiger Bildverarbeitung. Solche Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Zukunft des Sehens in einer biologisch inspirierten Technik liegt.

Netzwerke der Wissenschaft – interdisziplin?re Impulse

Dr. Krensels Arbeit steht nicht isoliert. Sie ist eingebettet in ein Netzwerk von Wissenschaftlern, die die Schnittstellen von Biologie, Physik und Technik erforschen. An der TU Berlin arbeitet Prof. Dr. Stephan V?lker, heute Vizepr?sident, an der Lichttechnik und zeigt, wie Beleuchtungssysteme die Wahrnehmung von Kontrasten im urbanen Raum pr?gen – eine Br?cke von Biologie zur Ingenieurpraxis. An der FU Berlin brachte PD Dr. Werner Backhaus, Elementarteilchenphysiker, die Perspektive der exakten Physik ein, die f?r das Verst?ndnis von Signal?bertragung und Informationsdichte unverzichtbar ist. Prof. Hans-Joachim Pfl?ger, dessen ruhige Art viele Studenten gepr?gt hat, leistete Pionierarbeit in der Neurobiologie von Insekten und zeigte, wie sensorische Systeme Bewegungen direkt in Handlung ?bersetzen. Schlie?lich begleitete auch Dr. Martine Knoop die Promotionsarbeit von Krensel an der TU Berlin mit klarem Blick f?r methodische und wissenschaftliche Pr?zision.

Dieses Netzwerk macht deutlich: Die Transformation biologischer Prinzipien in technische Systeme entsteht nicht in einer Disziplin allein, sondern durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Schulen und Denkweisen.

Evolution als Ingenieur – warum Vielfalt entscheidend ist

Das Auge des Menschen ist nur eine Variante. Insektenaugen, wie sie Prof. Pfl?ger erforschte, bieten ein anderes Modell: Sie sind spezialisiert auf Bewegungserkennung. Ein Libellenauge kann Bewegungen in einem Bereich von fast 360 Grad wahrnehmen – ideal f?r das ?berleben in der Luft.

Technische Systeme greifen diese Vielfalt auf. Drohnenkameras, die in Schw?rmen fliegen, orientieren sich an der Struktur von Insektenaugen. Ein Forscherteam aus Z?rich entwickelte 2022 eine Kamera, die Bewegungen ?hnlich wie eine Fliege erkennt – und damit Objekte bis zu zehnmal schneller als herk?mmliche Kameras verfolgen kann.

Die Lektion aus der Biologie lautet: Es gibt nicht das perfekte Auge. Es gibt spezialisierte Systeme, die an ihre Umwelt angepasst sind. Genau diese Vielfalt inspiriert Ingenieure. W?hrend das menschliche Auge Kontraste perfekt erkennt, liefern Insektenaugen Modelle f?r 360-Grad-Sicht oder extreme Bewegungswahrnehmung.

Wahrheit statt Illusion – die Rolle des Gehirns

Ein faszinierender Aspekt des Sehens ist die F?higkeit, L?cken zu f?llen. Das Auge liefert kein perfektes Bild, das Gehirn erg?nzt. Wir „sehen“ Farben, die physikalisch nicht existieren (z. B. Purpur), wir erkennen Muster, die nur durch Kontext entstehen (optische T?uschungen).

Maschinen hingegen bleiben oft an den Daten kleben. Sie erkennen Pixel, aber nicht Bedeutung. Das Ziel biologisch inspirierter Technik muss daher sein: Interpretation statt Speicherung.

Wenn ein Auto bei Nebel eine Gestalt erkennt, darf es nicht warten, bis Millionen Pixel durchgerechnet sind – es muss antizipieren, bewerten und entscheiden. Genau darin liegen die Herausforderungen: die Transformation biologischer Prinzipien in Systeme, die eigenst?ndig Wahrheit sichtbar machen.

Ausblick: Warum das Sehen die Technik transformiert

Das Auge ist mehr als ein Sinnesorgan. Es ist ein Modell f?r Informationsverarbeitung, Effizienz und Anpassung. Wer versteht, wie Biologie aus unvollst?ndigen Signalen Wahrheit konstruiert, kann Maschinen bauen, die autonom, nachhaltig und robust sind.

Dr. Andreas Krensel bringt es auf den Punkt: „Die Zukunft liegt nicht darin, mehr Daten zu sammeln, sondern darin, besser zu verstehen, welche Daten wirklich z?hlen.“

V.i.S.d.P.:

Dipl.-Soz. tech. Valentin Jahn
Techniksoziologe & Zukunftsforscher

?ber den Autor – Valentin Jahn

Valentin Jahn ist Unternehmer, Zukunftsforscher und Digitalisierungsexperte. Mit ?ber 15 Jahren Erfahrung leitet er komplexe Innovationsprojekte an der Schnittstelle von Technologie, Mobilit?t und Politik – von der Idee bis zur Umsetzung.

?ber Dr. Andreas Krensel:

Dr. rer. nat. Andreas Krensel ist Biologe, Innovationsberater und Technologieentwickler mit Fokus auf digitaler Transformation und angewandtere Zukunftsforschung. Seine Arbeit vereint Erkenntnisse aus Physik, KI, Biologie und Systemtheorie, um praxisnahe L?sungen f?r Industrie, Stadtentwicklung und Bildung zu entwickeln. Als interdisziplin?rer Vordenker begleitet er Unternehmen und Institutionen dabei, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Effizienz durch Digitalisierung, Automatisierung und smarte Technologien zu steigern. Zu seinen Spezialgebieten z?hlen intelligente Lichtsysteme f?r urbane R?ume, Lernprozesse in Mensch und Maschine sowie die ethische Einbettung technischer Innovation. Mit langj?hriger Industrieerfahrung – unter anderem bei Mercedes-Benz, Silicon Graphics Inc. und an der TU Berlin – steht Dr. Krensel f?r wissenschaftlich fundierte, gesellschaftlich verantwortungsvolle Technologiegestaltung.

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