Timotheus Höttges, Vorstandvorsitzender der Deutschen Telekom, erklärte im Jahr 2016 die Digitalisierung zum „größten Umweltschützer aller Zeiten“. Und zweifelsohne bietet digitale Technik echte Chancen, um die 17 Nachhaltigkeitsziele für 2030, die von der UN im Jahr 2015 beschlossen wurden, schneller zu erreichen. Digitalisierung hilft dabei helfen, Ressourcen effizienter einzusetzen. Sie macht es möglich, komplexe Wertschöpfungsketten zu optimieren und transparenter zu gestalten – etwa durch den Einsatz von Blockchains die erlauben, die Einhaltung von Umwelt und Sozialstandards über den gesamten Produktionsprozess nachzuvollziehen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit arbeiten daran, Veränderungen von Klima, Boden, Infrastruktur und Marktfaktoren in Modelle zu integrieren, die helfen könnten, Lebensmittelknappheit und Hungerkatastrophen zu verhindern. So könnte beispielsweise mittels sogenannten Geoengineerings die globale Erwärmung zukünftig aufgehalten oder die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre verringert werden.
Die Möglichkeiten, Digitalisierung im Sinne der Nachhaltigkeit einzusetzen, sind vielfältig, und es werden täglich mehr. Immer mehr rückt jedoch ins Bewusstsein, dass auch Digitalprodukte einen satten CO2-Fußabdruck hinterlassen können. Als Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im März ihre „Umweltpolitische Digitalagenda“ vorstellte, verwies sie auf Prognosen, wonach der CO2-Ausstoß durch digitale Anwendungen bereits 2025 den des weltweiten Kraftfahrzeugverkehrs übersteigen könnte. Digitalisierung, warnte Schulz, sei nicht nur ein wichtiges Instrument für mehr Klimaschutz – sie könne auch zum „Brandbeschleuniger“ für den Klimawandel werden.
Wir sollten uns immer wieder vor Augen führen: Daten lagern nicht auf „Clouds“, die klimaneutral durch die Atmosphäre schweben. Sie lagern auf riesigen Serverfarmen, für deren Betrieb erhebliche Mengen an Strom aufgewendet werden müssen. Wäre das Internet ein Staat, er hätte den sechsthöchsten Energieverbrauch der Welt.
Das Beispiel Videostreaming führt den immensen Stromverbrauch von digitalen Dienstleistungen besonders eindringlich vor Augen. Die Datenmengen, die für Filme und Serien auf Plattformen wie Netflix oder YouTube anfallen, machen heute bereits 58 Prozent und damit mehr als die Hälfte des globalen Datenvolumens aus. „Um diese Mengen über die Rechenzentren bereitstellen zu können, dürften global fürs Streamen schätzungsweise bereits bis zu 200 Milliarden kWh Strom pro Jahr anfallen, Tendenz steigend“, rechnet Stromanbieter EON vor. „Damit könnte man sämtliche Privathaushalte in Deutschland, Italien und Polen zusammen für ein Jahr mit Strom versorgen.“ Online-Videos produzieren damit über 300 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr (The Shift Project) – rund ein Drittel soviel wie der globale Flugverkehr. Wer in Zeiten der Corona-Krise über die Klimafreundlichkeit von #stayathome nachdenkt, darf diesen Faktor nicht außer lassen (dass die Pandemie auch sonst kein Segen für das Klima ist, hat Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber dargelegt).
Nach Gesprächen mit der EU-Kommission hat Netflix jüngst die Qualität seiner Videostreams gedrosselt, um einer Überlastung der Netze während der Pandemie vorzubeugen. Das Datenvolumen wurde damit um rund 25 Prozent reduziert. Müssen wir uns bald auch über Klimaquoten für das Streaming unterhalten?
Fest steht jedenfalls: Im Kampf gegen den Klimawandel sind digitale Anwendungen ein unverzichtbares Instrument. Aber sie selbst sind nicht per se klimaneutral. Auch die Nachhaltigkeit von Digitalprodukten gehört regelmäßig auf den Prüfstand.
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