DORTMUND. Bürokratisch, langsam, unflexibel? Das Image haftet Krankenkassen an. BIG direkt gesund hat bewiesen: Krankenkasse kann auch ganz anders. Fix, flexibel, unkonventionell. Innerhalb von fünf Wochen hat die BIG fast ihre komplette Belegschaft – 87,2 Prozent – ins Homeoffice geschickt. Am 20. April um 15:25 Uhr konnte in Dortmund Kirsten Scheer als letzte von 574 Mitarbeiter*innen ihre Hardware mit nach Hause nehmen. Und das Bemerkenswerte daran: Die Versicherten erleben weiterhin den gewohnten Service.
Erstattungen laufen unproblematisch, Kundenberater*innen sind ohne lange Wartezeiten erreichbar. 59 Prozesse können die Kund*innen selbst unkompliziert in der Online-Geschäftsstelle erledigen. Dort laden sie etwa ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hoch, eine Mitgliedsbescheinigung herunter oder ändern ihre Kontaktdaten.
„Wir haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice gebracht, bei denen uns dies möglich war. Einen besseren Beitrag zum Schutz vor dem Coronavirus können wir als Arbeitgeberin nicht leisten“, sagt Peter Kaetsch, Vorstandsvorsitzender der BIG.
Krisenstab gegründet
Anfang März hatte der Vorstand einen Krisenstab gegründet. Der traf am 9. März die ersten Entscheidungen: Alle geplanten Veranstaltungen im März wurden abgesagt, die Kundencenter in Dortmund, Düsseldorf, Köln, Hamburg und München geschlossen. Ab 13. März konnten in Abstimmung mit der jeweiligen Führungskraft diejenigen zu Hause arbeiten, die ein Laptop besitzen. Ab 16. März schickte der Krisenstab alle 176 Mitarbeiter*innen, die in einer Testphase bereits zeitweise einen Telearbeitsplatz nutzten, komplett ins Homeoffice. Gleichzeitig entschied er sich für Homeoffice für alle, bei denen dies möglich ist. Die Mitarbeiter*innen konnten auf Wunsch sogar ihren Bürostuhl nach Hause mitnehmen.
Am 18. März beschloss der Krisenstab eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Statt montags bis freitags von 6:45 bis 20:00 Uhr können die Mitarbeiter*innen nun montags bis samstags von 6:00 bis 24:00 Uhr arbeiten. Das erleichtert die Kinderbetreuung erheblich.
Priorisierung nach Alter, Krankheit, Kinderbetreuung und ÖPNV-Nutzung
Beim weiteren Ausbau der zusätzlichen Telearbeitsplätze orientierte sich die BIG an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Folgende Personen haben danach ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf:
Mitarbeiter*innen älter als 60 Jahre
Mitarbeiter*innen mit chronischen oder akuten Grunderkrankungen
Priorität 3 und 4 hatten:
Mitarbeiter*innen mit Kindergarten-/Schulkindern ohne alternative Betreuungsmöglichkeit
Mitarbeiter*innen, die mit dem öffentlichen Nahverkehr an- und abreisen
In dieser Reihenfolge wurden die Mitarbeiter*innen ins Homeoffice gebracht. Ganz zuletzt folgten die, die keinerlei Priorisierung hatten.
Mailadresse und Umfrage
Weiterhin ist der Krisenstab über eine eigene Mailadresse zu erreichen, über die Fragen gestellt und Anregungen gegeben werden können. Die Mitarbeiter*innen werden mit täglichen Updates im Intranet über die Lage informiert, erhalten Tipps und Links auf wichtige Informationen, können selbst Fragen stellen. Jeden Freitag wird eine Umfrage zum Krisenmanagement verschickt, die anonym beantwortet werden kann. Der Frage „Insgesamt bin ich zufrieden, wie die BIG mit der COVID-19-Situation umgeht“ stimmten in der letzten Umfrage 91 Prozent voll und ganz zu. Als Beispiel eine Stimme von vielen: „Ich fühle mich von der BIG sehr gut abgeholt und unterstützt. Ich finde, wie die BIG als Arbeitgeberin mit der Situation umgeht, ist vorbildlich und da kann man nur den Hut ziehen. Man muss sagen, dass die BIG hier Vorbild für viele andere Unternehmen sein kann und damit meine ich auch große Konzerne. Respekt und Tausend Dank für den Umgang!“
Natürlich werden auch Sorgen, Kritikpunkte und Anregungen an den Krisenstab gerichtet. „Wir befinden uns gerade in einer absolut neuen Ausnahmesituation und nehmen das alles sehr gern an, um dazuzulernen und unsere Kolleginnen und Kollegen bestmöglich zu unterstützen“, so Peter Kaetsch. „Eine offene und rasche Kommunikation ist dabei das A und O.“
Hardware-Beschaffung ein Problem
Denn selbstverständlich läuft bei so einem Projekt nicht alles glatt. Hardware zu beschaffen, trieb den IT-Mitarbeiter*innen Schweißperlen auf die Stirn. Headsets und Notebooks waren kaum zu bekommen. Dann wurden die heiß ersehnten Laptops endlich geliefert, funktionierten aber nicht mit mehreren Bildschirmen. Das hieß für die IT-Mitarbeiter*innen: Weitere Computer in der BIG abbauen und konfigurieren, damit die Kolleginnen und Kollegen diese zu Hause nutzen können. Beim Weg irgendwann zurück in die BIG muss das Procedere wiederholt werden.
Telefonkonferenzen funktionieren in der Regel gut, bei Videokonferenzen gibt es häufiger Netzwerkprobleme, Bilder frieren ein, der Ton ist schlecht. Dennoch sind alle erstaunt, wie gut die Kommunikation auf Distanz klappt. Dienstreisen werden in der Nach-Corona-Zeit sicherlich weniger angesetzt.
Mitarbeiterbindung in der Krise gelungen
„Wir haben gezeigt, was mit Digitalisierung zu erreichen ist. Die Mitarbeiter*innen haben so gut wie keine Probleme bei der Arbeit im Homeoffice. Was mich am meisten beeindruckt hat, ist, wie schnell wir die Maßnahmen umgesetzt, wie alle gemeinsam an einem Ziel gearbeitet und das auch erreicht haben. Als Arbeitgeberin ist es uns in dieser Krisensituation gelungen, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter enger an uns zu binden, weil wir gezeigt haben, wie viel sie uns wert sind. Das belegen die zahlreichen Rückmeldungen aus der Belegschaft“, sagt Peter Kaetsch und ergänzt: „Eine Krankenkasse geht ins Homeoffice und kein Kunde merkt es. Das ist Digitalisierung auf einem sehr hohen Niveau.“
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