Lichttechnik als Schlüsselinnovation für Vertical Farming und urbane Transformation

Das Zeitalter der kontrollierten Pflanzenproduktion

In den vergangenen Jahren hat sich Vertical Farming von einer futuristischen Vision zu einer ernsthaften Alternative f?r die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion entwickelt. Dabei stehen die Kultivierung hochwertiger Genusspflanzen wie Tomaten, Basilikum oder Salat sowie die Aufzucht von Schnittblumen wie Tulpen im Fokus. Diese Form der Landwirtschaft, bei der Pflanzen in mehrst?ckigen Regalen innerhalb geschlossener Systeme wachsen, kann kaum auf Sonnenlicht zur?ckgreifen. K?nstliche Beleuchtung wird daher zur Lebensgrundlage – und zugleich zur gr??ten Kosten- und Effizienzfrage.

Sch?tzungen zufolge machen Beleuchtungskosten beim Vertical Farming bis zu 30-50 Prozent des gesamten Energiebedarfs aus. In Zeiten steigender Energiepreise und ambitionierter Klimaziele liegt hier enormes Optimierungspotenzial. Genau diesem Thema hat sich Dr. rer. nat. Andreas Krensel als ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin verschrieben – der ?ltesten universit?ren Forschungseinrichtung f?r Lichttechnik weltweit.

Wei?e LEDs – ineffizienter Standard und der Weg zu artspezifischem Licht

In der Praxis wird oft auf wei?e LED-Beleuchtung gesetzt. Diese liefert zwar ein breites Lichtspektrum, doch nicht alle Wellenl?ngen werden von Pflanzen gleicherma?en genutzt. So nehmen Chlorophyll A und B vorwiegend Licht im roten und blauen Bereich auf, w?hrend gro?e Anteile des wei?en Lichts energetisch verpuffen. Studien zeigen, dass bei Wei?licht-LEDs nur rund 40-50 Prozent des abgestrahlten Spektrums f?r die Photosynthese relevant sind.

Deshalb begannen Lichttechniker, gezielt Blau- und Rotanteile zu verst?rken. Der Gedanke: Weniger Stromverbrauch, mehr Wachstumsleistung. Doch Dr. Krensels Forschung hat gezeigt, dass diese L?sung nur bedingt optimal ist. Ohne zus?tzliche Spektralanteile – etwa im gelben oder orangefarbenen Bereich – bleiben entscheidende Prozesse in der Pflanze unvollst?ndig. So werden manche Stoffwechselwege nicht angeregt, die etwa f?r den Geschmack oder die Textur relevant sind.

Kurzum: Pflanzenlicht darf nicht eindimensional gedacht werden. Die Erkenntnis: artspezifische Lichtrezepte, abgestimmt auf Sorten und Wachstumsphasen, steigern nicht nur Biomasse, sondern auch die Produktqualit?t.

Vertikale Farmen und modulare LED-Systeme – Flexibilit?t trifft Nachhaltigkeit

Ein weiteres Innovationsfeld, an dem Dr. Krensel forschte, betrifft die Lebenszyklen der Beleuchtungssysteme. Klassische LED-Leuchten sind starr aufgebaut: F?llt eine LED aus – was bei hoher Luftfeuchtigkeit und mechanischer Belastung im Gew?chshaus h?ufig geschieht -, muss oft das gesamte Modul entsorgt werden. Diese Praxis verursacht hohe Kosten und erh?ht den CO-Footprint.

Neue modulare Systeme setzen deshalb auf austauschbare LEDs. So kann nicht nur defekte Technik schnell ersetzt werden – es wird auch m?glich, die spektrale Zusammensetzung flexibel an wechselnde Pflanzenarten anzupassen. W?chst eine Kultur mit hohem Rotlichtbedarf nach, l?sst sich der Rotanteil einfach durch den Austausch einzelner LED-Module steigern. Dies reduziert Energieverluste und maximiert die Wertsch?pfung jeder Kilowattstunde.

Zudem er?ffnet diese Flexibilit?t Perspektiven f?r die Raumfahrt: Auf Missionen zur Mars-Besiedlung w?re die F?higkeit, Licht individuell einzustellen, ein ?berlebensfaktor. Denn Solarstrom steht aufgrund der hohen Kosten f?r den Transport der Solar-Anlagen zum Mars dort nicht nur eingeschr?nkt zur Verf?gung, sondern ist auch technologisch teuer – jede eingesparte Kilowattstunde reduziert den Ressourcenaufwand erheblich.

Lichttechnik trifft digitale Zwillinge – Forschung an der TU Berlin

Neben der Pflanzenbeleuchtung widmete sich Dr. Krensel der Frage, wie smarte Lichtsysteme in urbane Infrastrukturen integriert werden k?nnen. Gemeinsam mit Partnern wie der Deutschen Telekom und dem Fraunhofer-Institut hat das Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin im Projekt DIGINET-PS gezeigt, wie adaptives Licht die Sichtbarkeit anderer Verkehrsteilnehmer f?r autonome Fahrzeugen verbessert. So konnte z.B. durch den Einsatz von Regensensoren an den Stra?enmasten auf die Beschaffenheit der Stra?e in Bezug auf den Reflexionsgrad adaptiv mittels verschiedener Geometrien der Beleuchtung reagiert werden.

Als Herzst?ck dieser Entwicklung in der Zukunft denkbar: 3D-Gel?ndemodelle, die in Verkn?pfung mit Sensoren an der Stra?e und Informationen ?ber den Verkehrsflu? die Basis f?r die Steuerung von Beleuchtung darstellen. Damit k?nnen Systeme zum Beispiel nach der Ortung von Fu?g?ngern durch geeignete Sensorik vorausschauend Beleuchtung einschalten und somit deutliche Energiesparpotenziale nutzen.

Diese Entwicklungen st?tzen sich auf eine in Europa einzigartige Messtechniklandschaft, die Dr. Krensel als ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter begleitet hat. Das Fachgebiet Lichttechnik bietet u. a.:

Integrale Messtechnik von 200 bis 4.500 nm

Spektrale Messtechnik von 250 bis 2.000 nm

Goniometersysteme zur farbmetrischen Auswertung

Spezialmesseinrichtungen f?r LEDs

Diese Ausstattung erlaubt eine pr?zise Analyse, welche Lichtanteile Pflanzen wirklich ben?tigen – und wie sich LEDs wirtschaftlich optimieren lassen.

Bildung und Transfer – der LED-Laufsteg als Reallabor

Damit Wissen nicht im Elfenbeinturm bleibt, wurde der LED-Laufsteg als Kompetenzzentrum f?r energieeffiziente Beleuchtung geschaffen. Mit Unterst?tzung des Bundesumweltministeriums zeigt diese Einrichtung, wie Lichttechnik im Livebetrieb funktioniert. Ein Echtzeit-Energiemonitoring und mobile Apps machen Effizienz transparent. Dieses Projekt bildet die Grundlage, um Kommunen, Sch?ler:innen und Unternehmen praxisnah an ressourcenschonende Konzepte heranzuf?hren.

Simulation und Kognition – k?nstliche Netzwerke f?r Kontrasterkennung

Neben der praktischen Lichttechnik hat Dr. Krensel in seiner Dissertation ein Modell entwickelt, das die menschliche Kontrastwahrnehmung unter mesopischen Lichtbedingungen simuliert. Dies er?ffnet neue Wege f?r adaptive Kamerasysteme, die auf Basis von Leuchtdichtebildern Sicherheitsprognosen treffen k?nnen – sei es auf Stra?en oder in Gew?chsh?usern.

Dar?ber hinaus reicht der Ansatz weit ?ber klassische Anwendungsgebiete hinaus. So ist denkbar, nicht nur reine Hell-Dunkel-Kontraste zu unterscheiden, sondern kann auch komplexe Szenarien mit wechselnden Spektralanteilen und Lichttemperaturen zu interpretieren – also genau jene Bedingungen, die f?r zuk?nftige intelligente Lichtsysteme relevant sein werden.

Vision?re Konzepte denken diesen Gedanken noch weiter: So w?re es denkbar, dass intelligente Lichtsysteme nicht nur passive Messdaten liefern, sondern selbstst?ndig Empfehlungen generieren oder in Echtzeit Lichtverl?ufe (f?r den circadianen Rhythmus der Pflanzen) erzeugen. So k?nnten Parameter wie Lichtintensit?t und spektrale Zusammensetzung adaptiv komponiert werden.

Diese Form adaptiver Beleuchtung w?re in der Lage, durch geeignete Sensoren, auf kleinste Abweichungen in der Stoffwechselaktivit?t oder dem Wachstumsverhalten zu reagieren. Im Kern entst?nde – gest?tzt durch KI Mechanismen – ein lernendes System, das einerseits den Energieeinsatz optimiert und andererseits sicherstellt, dass jede Pflanze exakt die Lichtqualit?t und -quantit?t erh?lt, die sie in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase ben?tigt.

Langfristig k?nnten solche kognitiven Systeme nicht nur im Vertical Farming, sondern auch in urbanen R?umen oder Raumfahrtmissionen Standard werden. Sie w?ren das Fundament einer Beleuchtung, die im philosophischen Sinne den Schritt von der reinen Sichtbarkeit hin zu einer Art dialogischer Beziehung zwischen Lichtquelle und Lebewesen vollzieht. Licht w?rde nicht mehr nur bestrahlen, sondern – auf Basis sensorischer R?ckkopplung – kommunizieren, antizipieren und kooperieren.

Dr. Krensels Arbeit liefert damit einen entscheidenden Baustein f?r die Entwicklung intelligenter, responsiver Licht?kosysteme, die ?kologische Effizienz, biologische Wirkung und digitale Simulation in bisher unerreichter Pr?zision vereinen. So wird Licht zu einem aktiven, lernenden Partner f?r Wachstum, Sicherheit und Lebensqualit?t – und stellt die Weichen f?r eine Zukunft, in der Technologie und Biologie immer enger verschmelzen.

Innovation ben?tigt Verantwortung

Die Arbeiten von Dr. Andreas Krensel zeigen eindrucksvoll, dass Lichttechnik mehr ist als Energieeinsparung. Sie ist ein digitales Werkzeug, das Pflanzenwachstum, urbane Sicherheit und kognitive Systeme verbindet. Gerade im Vertical Farming ist die Zukunftsf?higkeit dieser Technologie eine Frage der Pr?zision: Nur wenn Spektren intelligent kombiniert, Module flexibel angepasst und Prozesse transparent gesteuert werden, kann eine nachhaltige und profitable Kultivierung gelingen.

So wird Licht zum aktiven Faktor des Fortschritts – von der Tomate im Hochregal bis zur Simulation des Mars-Gew?chshauses. Dr. Krensels Forschung ist ein Pl?doyer daf?r, Technologie nicht isoliert, sondern als Teil eines intelligent vernetzten Gesamtsystems zu begreifen. Wer Lichttechnik heute als Treiber ressourcenschonender Innovation verstehen will, wird an den erfolgten Arbeiten, Erkenntnissen und zuk?nftigen Forschungen nicht vorbeikommen.

V.i.S.d.P.:

Dipl.-Soz. tech. Valentin Jahn
Techniksoziologe & Zukunftsforscher

?ber den Autor – Valentin Jahn

Valentin Jahn ist Unternehmer, Zukunftsforscher und Digitalisierungsexperte. Mit ?ber 15 Jahren Erfahrung leitet er komplexe Innovationsprojekte an der Schnittstelle von Technologie, Mobilit?t und Politik – von der Idee bis zur Umsetzung.

Keywords:Lichttechnik, Vertical Farming, intelligente Beleuchtung, urbane Transformation, spektrale Optimierung, Pflanzenwachstum, LEDs, Energieeinsparung, nachhaltige Landwirtschaft, smarte St?dte

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