Was wirklich zählt im Vertrieb!

Wissenschaftliche Ansichten vs. praxisorientierte Realität oder Vertrieb 1.0 vs. moderne Kundenbeziehung auf Augenhöhe!

In letzter Zeit lese ich verstärkt „hochwissenschaftliche“ Artikel über Vertrieb, Vertriebs-Management, Kundenbeziehungen und Elemente daraus, wie zum Beispiel „Verhandlungstechnik“ oder „Preisgestaltung“. Was auffällt ist, je weiter die Verfasser solcher Texte vom eigentlichen Vertriebsleben weg sind, umso vertriebsfremder werden ihre Thesen und Ansichten. Das ist nun nicht so sehr eine Überraschung, eigentlich ist diese Beobachtung ja „normal“ – erschreckend ist jedoch, in welchem Ausmaß solche Artikel veröffentlicht werden. Und wie auch erfahrene Vertriebsmitarbeiter und gar Vertriebsmanager solchen Botschaften „unbewertet“ Glauben schenken – nur weil ein Titel, eine Hochschule, ein Institut oder eine sonstige Organisation, als Quelle erscheinen!?

Vorab meine Bitte an Sie, als Vertriebsprofis: Denken Sie bitte ein wenig über solche Artikel nach. Reflektieren Sie das dort erzählte mit Ihrer eigenen Realität. Bewerten Sie dann den Sinn oder auch Unsinn solcher Artikel.

Ein aktuelles Beispiel: Da schreibt ein Hochschulprofessor „ein von einem namhaften Portal ausgewiesener Experte“ zum Vertrieb über die Preisgestaltung von Produkten, der Beziehung von Unternehmen und vor allem der Beziehung von Einkauf und Vertrieb. Leider kann ich diesen Artikel nicht mehr lesen, da er nur einmal in diesem Portal zu öffnen war und beim zweiten Mal kostenpflichtig wird. Nun ist der Artikel aber wirklich nicht das Geld wert! Ich erinnere mich an den Titel, dass ein Verkäufer mit dem Messer zu einer Schießerei ging. Weiter ging es im Artikel mit der Aussage „ein befreundeter Verkäufer habe ein Meeting mit dem Einkauf verlassen, weil dieser zu hohe Rabatte forderte“. Und wieder weiter ging es mit einer Aussage, dass „Argumente einen hohen Preis rechtfertigen können“. Senior Lopez wird angeführt!!! Moment Mal, der war Ende der Siebziger bei General Motors und dann Anfang der Achtziger bei VW. Der Verfasser des Artikels war da noch ein Kind, ich lief schon mit meiner Visitenkarte „Vertrieb“ durch die Lande. Und seither hat sich verdammt viel getan in „unserer Zunft“. Wenn solche Artikel nicht beachtet werden, ist es i. O.! Das Problem ist aber, dass solche wirklich realitätsfremden „Berichte“ offensichtlich ernst genommen werden – wie die Resonanz zeigt.

Der Reihe nach: „Mit dem Messer zur Schießerei“! Sollte einer meiner Verkäufer eine solche Phrase verwenden, würde ich ihn auf seine Beziehung zum Kunden ansprechen. Eventuell würde ich ihm seine wichtigsten Kunden wegnehmen oder ganz aus dem – zumindest aus meinem – Vertrieb entlassen.

1. Wer sich dem Kunden nicht auf Augenhöhe stellen kann, wer den Kunden als Gegner sieht oder wer ein Projektgespräch als wilde Schießerei betrachtet, dem fehlt es grundsätzlich an der Wertschätzung dem Kunden gegenüber. Diese Wertschätzung beginnt im Kopf. Und genau da gehören solche Gedanken nicht hin.

2. Ein Meeting verlässt man nicht – das hat ebenfalls etwas mit Wertschätzung zu tun. Meinen Verkäufer würde ich hier fragen: „Was hast du in den vergangenen Monaten für die Beziehung getan? Was waren deine Argumente, deine Glaubwürdigkeit, in den Fach- und Managementabteilungen, um beim Einkauf auf Augenhöhe zu argumentieren?

3. Wenn ich in den Fachabteilungen und im gesamten Buying-Center meine Position erarbeitet habe, dann muss ich kein Meeting beim Einkauf „verlassen“ sondern führe ein reflektierendes Gespräch. Und wenn es sein muss, auch eine Verhandlung auf Augenhöhe!

4. Hohe Rabatte können nur gefordert werden, wenn es sich
a) um ein Commodity mit wirklich zu hohem Preis handelt,
b) der Preis vorher allgemein (viel) zu hoch war oder
c) es versäumt wurde, in den Fachabteilungen gute Argumente herauszuarbeiten – bezogen auf die jeweils spezifische Situation.

Letzteres sehe ich sehr häufig in Vertriebsabteilungen, die diesen Namen nicht verdienen. Das sind eher Verteiler aber keine Verkäufer. Ein Verkäufer weiß, mit welcher zusätzlichen Marge er den Deal gerade noch abschließen kann und das Wort „Rabatte“ ist ein Fremdwort.

5. Der Einkauf wird immer mehr Rabatte fordern, als er eigentlich erreichen will. Machen Sie das nicht auch, wenn Sie etwas für Sie Wichtiges einkaufen? Ein Narr, wer diesen Forderungen nachgibt, beziehungsweise, das Meeting deswegen verlässt. Eine solche Forderung macht erst den Vertrieb. Hier kann man sich beweisen und seine geschaffene Position der letzten Wochen und Monate ausspielen: Querverweise im Buying-Center nutzen, sich auf einen internen Coach stützen und seine Position zum wirklichen Entscheider des Projektes wahrnehmen.

6. Ein Einkäufer verwaltet NIE sein eigenes Budget – er verwaltet das von anderen! Also, wer hat das Sagen? Der Einkäufer bestimmt nicht. Ich spreche hier von komplexen B2B Fällen und nicht von B2C oder Commodity Geschäft. Welches wir mittlerweile im Internet oder E-Commerce abwickeln. Dazu brauche ich schon gar nicht einen Verkäufer, der beim Kunden davonläuft, sobald die erste wirkliche Hürde auftaucht.

7. Ein „hoher Preis“ ist nie zu rechtfertigen. Es gibt einen realistischen, einen wertigen, aber keinen hohen und auch keinen niedrigen Preis. Das ist eine Wortwahl und eine Argumentation für den Stammtisch, aber nichts für die Feder eines Hochschullehrers in einer anerkannten Publikation mit anspruchsvoller Leserschaft.

8. Zu guter Letzt: Senior Lopez hat zweifelsfrei einen Einkaufsmarkt geprägt. Aber wir hatten nun weit über 30(!!) Jahre Zeit das Bild wieder zurechtzurücken. Und das haben wir im Felde auch getan. Wir haben mittlerweile auch in Deutschland gelernt, unsere Produkte zu dem Preis zu verkaufen, den dieses Produkt für den Käufer als Wert darstellt. Die Unternehmen vertrauen auf uns Lieferanten als vertrauensvolle Experten, mit der Kernkompetenz, die unsere Kunden als OEM nicht mehr haben.

9. Einkäufer gehen mit Verkäufern respektvoll um, wenn die Verkäufer
a) ebenfalls respektvollen Umgang pflegen und
b) ihre Glaubwürdigkeit durch gute Produkte und gute Leistungen, Services und Support erarbeitet haben.

Auch Einkäufer haben ihre Lieblingsverkäufer, nämlich jene, die mit ihnen auf Augenhöhe und reflektierend kommunizieren. „Ja-Sager“ wie auch permanente „Nein-Sager“ sind nicht nur „out“ sondern werden nicht mehr gewünscht – und deswegen entsprechend behandelt. Meist eben gar nicht mehr empfangen. Eigentlich gut, wenn die gleich von selbst davon laufen …

10. Ich warne davor den Vertrieb und sein Personal als respektlose, dumme und veraltete Spezies darzustellen. Der Vertrieb ist hochmodern, hat ein enormes Wissen und pflegt seine Beziehungen zu ALLEN Beteiligten – und nicht nur zum Einkauf. Und genau deswegen ist der moderne Vertrieb auch so erfolgreich.

Der Vertrieb ist die STRATEGISCHTE aller Unternehmensabteilungen. Dort schließt sich der Kreis: von der ersten Idee eines Kunden bis zum Verkauf einer komplexen Lösung. Technisches Know-how gepaart mit wirtschaftlicher Kompetenz, das ist der Vertrieb der heutigen Zeit – und Lopez hat uns vor 30 Jahren beeindruckt, aber nicht mehr heute.

Oder wie können Sie sich erklären, dass Deutschland nach wie vor eines der besten Exportländer ist? Wir die halbe Welt finanzieren können und es uns noch immer den höchsten Lebensstandard beschert? Diese Leistung ist nicht erreichbar, wenn Verkäufer und Einkäufer mit Messern oder Knarren aufeinander loslaufen. Auch nicht von Vertrieblern, die ihren Kunden davonlaufen, weil „mal was schwer wird“. Ich persönlich liebe meinen Vertrieb und ich liebe meine Kunden. Und am liebsten habe ich jene Kunden, die mich richtig fordern – weil genau sie es sind, die mich am Weitesten bringen. So einfach ist das.

Jedem „der seine Sicht des Vertriebs und des Vertriebsmanagements im Markt verteilen will“ empfehle ich, dies praxisorientiert und aufgrund von persönlichen Erfahrungen zu tun. Dann ist es wertvoll für ALLE. Hochwissenschaftliche Abhandlungen, die über den Tellerrand nicht hinausblicken, und in eine Sprache gepackt sind, die keiner mehr versteht – das brauchen wir nun wirklich nicht mehr.

Wie sehen Sie das? Lassen Sie uns miteinander sprechen. Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen!

Herzlichst,
Ihr Siegfried Kreuzer …mit mehr als 35 Jahren Erfahrung im komplexen B2B-Vertrieb!

Keywords:Vertrieb, Vertriebsleistung, Unternehmen, Wirtschaft, Mittelstand, Deutschland, B2B, Sales, Verkaufen, Organisationen, ,Verkäufer, Wissenschaft, Praxis, Kundenbeziehung, Kompetenz

adresse

Powered by WPeMatico

Anzeigen